Parallel zeigt eine globale Ipsos-Erhebung zum Klimabewusstsein: Zwar wächst die Sorge über den Klimawandel, doch individuelle Handlungsbereitschaft und Vertrauen in politische Maßnahmen nehmen ab.
ETS II und der CO₂-Preis: Ein System mit Erklärungsbedarf
Ab 2027 tritt die nächste Stufe des EU-Emissionshandels (ETS II) in Kraft: Dann müssen auch Akteure aus den Sektoren Gebäude und Verkehr CO₂-Zertifikate erwerben. Der CO₂-Preis soll von derzeit 55 Euro auf bis zu 149 Euro pro Tonne steigen. Relevant wird das in Kombination mit dem seit 1. Januar 2023 geltenden CO₂-Kostenaufteilungsgesetz. Es regelt, wie eben diese steigenden CO₂-Kosten für Heiz- und Warmwasserkosten zwischen Vermietern und Mietern aufzuteilen sind – verbindlich für alle Abrechnungszeiträume ab diesem Datum. Es soll Mieter finanziell entlasten und Vermieter zu Investitionen in die energetische Sanierung ihrer Gebäude zu motivieren. Die Regelung gilt für alle Wohngebäude, die fossile Brennstoffe zur Wärme- und Warmwassererzeugung nutzen, sowie für gewerbliche Wärmelieferungen – auch dann, wenn ein CO₂-Preis im Rahmen des EU-Emissionshandels (EU-ETS) fällig ist. Die CO₂-Kosten werden nach einem zehnstufigen Modell verteilt: Je höher der spezifische CO₂-Ausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr, desto größer ist der Kostenanteil, den der Vermieter tragen muss. Grundlage für die Berechnung sind standardisierte Emissionsfaktoren gemäß dem Brennstoffemissionshandelsgesetz.
Ziel des ETS II ist es, die Nutzung fossiler Energieträger zu verteuern und klimaschonende Technologien wettbewerbsfähiger zu machen. Doch nur ein Bruchteil der Bevölkerung versteht dieses Prinzip. Laut einer Umfrage des Unternehmens Aira wissen 35 Prozent nichts über den Emissionshandel, und lediglich fünf Prozent können die Auswirkungen auf ihre Heizkosten korrekt einschätzen.
Diese Informationslücke ist gravierend. Denn sie schwächt die Akzeptanz der Maßnahme – gerade bei einkommensschwächeren Haushalten, die besonders stark unter steigenden Heizkosten leiden. Zwar sieht der ETS II Ausgleichsmechanismen vor, etwa durch Rückverteilung der Einnahmen über Sozialfonds oder nationale Klimagelder. Doch weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene existieren dafür bislang belastbare Umsetzungspläne.
Soziale Schieflage bei der Klimafinanzierung
Die Klimapolitik krankt derzeit an sozialer Ungleichverteilung. Laut Sachverständigenrat für Klimafragen profitieren bisher vor allem einkommensstarke Haushalte von Fördermaßnahmen – beispielsweise bei der Umstellung auf Wärmepumpen. Für ärmere Haushalte fehlen hingegen Mittel, um sich an die steigenden CO₂-Preise anzupassen. Das von der Vorgängerregierung geplante „Klimageld“, mit dem alle Haushalte einen Teil der CO₂-Einnahmen zurückerhalten sollten, wurde von der neuen Bundesregierung aufgegeben. Stattdessen will man die Strompreise senken und großvolumige Klimainvestitionen finanzieren – ein Schritt, der zwar ökonomisch sinnvoll erscheinen mag, aber eine sozialpolitische Wirkung verfehlt.
Globale Wahrnehmung: Mehr Sorge, weniger Handlung
Auch international zeigt sich ein paradoxes Bild. Laut Ipsos-Klimareport 2024 sind 74 Prozent der Menschen besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels im eigenen Land – besonders in hoch gefährdeten Regionen wie den Philippinen oder der Türkei. Gleichzeitig glaubt nur noch eine Minderheit, dass individuelle Maßnahmen wirklich entscheidend seien. Die Überzeugung, dass persönliche Beiträge zur Klimarettung zählen, ist seit 2021 weltweit rückläufig.
In Europa verbinden viele Menschen die Energiewende zudem mit steigenden Haushaltskosten und sind gegenüber Technologien wie E-Mobilität skeptisch. Diese Wahrnehmung deckt sich mit der deutschen Debatte um Heizungsmodernisierung, Förderpolitik und steigende CO₂-Kosten.
Klimapolitik braucht Transparenz und Teilhabe
„Ohne klare, nachvollziehbare Kommunikation und zielgerichtete soziale Ausgleichsmechanismen droht die Legitimation der Klimapolitik zu erodieren“, so VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler. Er fordert konkrete Gegenmaßnahmen: „Erstens: Die Bevölkerung muss besser über die Wirkmechanismen des Emissionshandels und die Bedeutung steigender CO₂-Preise informiert werden. Zweitens: Förderprogramme und Rückverteilungssysteme müssen so gestaltet sein, dass sie insbesondere einkommensschwache Haushalte zur Umstellung befähigen. Drittens: Politische Maßnahmen sollten nicht nur technologisch sinnvoll, sondern auch gesellschaftlich vermittelbar und gerecht sein.“
Solange CO₂-Bepreisung als bloße Kostensteigerung empfunden wird – ohne wahrnehmbaren Nutzen oder Rückfluss – wird sie auf Widerstand stoßen. Die Herausforderung für die neue Bundesregierung besteht daher darin, eine klimagerechte und sozial ausgewogene Politik nicht nur zu entwickeln, sondern auch verständlich zu kommunizieren und konsequent umzusetzen.